„Die Ressourcennutzung muss in Zukunft optimiert werden“

Michael Narodoslawsky
Dr. Michael Narodoslawsky ist Mitglied des Fachbeirats der REGIONALE 2025 Agentur. Fotonachweis: privat

Dr. Michael Narodoslawsky ist Professor (em.) für Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Graz. Er begleitet das Landesstrukturprogramm seit 2018 und berät als Mitglied des Fachbeirats die REGIONALE 2025 Agentur zum systemischen Umgang mit regionalen Ressourcen und zu regionaler Wertschöpfung. Im Interview spricht der Österreicher über Schlüsselressourcen im Bergischen RheinLand und erläutert, welche Kompetenzen der Projektraum für einen nachhaltigen und effizienten Umgang mit regionalen Ressourcen benötigt. 

Sie sind Österreicher, kommen aus der Steiermark und besuchen in Ihrer Funktion als Mitglied des Fachbeirats regelmäßig das Bergische RheinLand. Sie waren bereits bei der REGIONALE 2010 als Fachbeirat tätig und kennen die Region Köln/Bonn sehr gut. Was ist das Besondere am Projektraum der REGIONALE 2025?
Das Besondere am Bergischen RheinLand ist seine Lage. Auf der einen Seite haben wir ein relativ ländliches Gebiet, das aber durchaus industrielle Zentren vorzuweisen hat. Auf der anderen Seite liegt der Raum ganz nah an der Rheinschiene und damit an einer der größten Agglomerationen, die es in Europa gibt. Diese Zwischenlage und Situation, in einer grünen Umgebung und gleichzeitig so nah am Ballungszentrum zu sein, das ist außergewöhnlich für den Projektraum.  

Sie begleiten die Entwicklung der REGIONALE 2025 nunmehr schon seit mehreren Jahren und kennen ihn auch schon genauer aus der Regionale 2010. Mit Ihren Fachbeiratskollegen und -kolleginnen unterstützen Sie die inhaltliche und programmatische Ausrichtung des Landesstrukturprogramms. Wo steht die REGIONALE 2025 aktuell?
Die REGIONALE 2025 ist äußerst gut aus den Startlöchern und ans Laufen gekommen. Ich glaube, sie ist programmatisch relativ weit gediehen. In den meisten Bereichen geht es jetzt schon um die konkreten Projekte, um die klare Führung der Projektteams und der Koordination. Aus meiner Sicht hat auch die öffentliche Kommunikation der REGIONALE 2025 große Fortschritte gemacht. Das ist natürlich notwendig, weil gerade bei Regionalentwicklungen die regionale Bevölkerung und vor allem auch die regionalen Entscheidungsträger an dem Prozess Anteil nehmen. Es geht schließlich um ihre Projekte und ihre Entwicklung. Es ist ja auch so, dass diese REGIONALE nicht bei Null startet. Es gab hier 2010 bereits eine REGIONALE und der Projektraum ist deshalb schon ein bisschen „REGIONALE-geübt“. Das erleichtert die Arbeit natürlich ein Stück weit, aber diese REGIONALE 2025 entwickelt ihre eigene Dynamik und Charakteristik und beginnt sie auch zu zeigen.  

Das Handlungsfeld „Ressourcenlandschaft“ ist eines der Schwerpunktthemen der REGIONALE 2025. Welche Potenziale sehen Sie hier für das Bergische RheinLand und was können Ressourcen für eine ganzheitliche Regionalentwicklung leisten?
Zunächst einmal stehen wir aktuell vor einem Ressourcenwandel. Der Weg führt weg von den fossilen Ressourcen und hin zu erneuerbaren, das heißt regionalen Ressourcen. Die Zusammensetzung dieses regionalen Ressourcenspektrums wird für die zukunftsgerichtete Regionalentwicklung ganz entscheidend sein und im Bergischen RheinLand sieht man schon heute erste Ansätze dieses Umdenkens. Zweitens: Das Bergische RheinLand hat natürlich eine große Vielfalt von Ressourcen. Das sind überwiegend Ressourcen, die sich aus der geografischen Lage heraus ergeben. Das ist im Bergischen RheinLand das Wasser, das in Zukunft noch entscheidender sein wird, als es heute bereits ist. Wasser ist eine klimastabilisierende Ressource und Grundlage für alle weiteren biogenen Ressourcen. Insofern besitzt der Projektraum aus meiner Sicht eine Kernressource der Zukunft. Das Dritte ist die interessante Konstellation an natürlichen Ressourcen im Bergischen RheinLand. Besonders charakteristisch ist das Grünland, das für eine Vielzahl von Wertschöpfungsketten genutzt werden kann. Wir haben also eine sehr interessante Ressourcengrundlage, die heute meistens landwirtschaftlich genutzt wird. Hier muss die Ressourcennutzung aber in Zukunft optimiert werden und der Raum sich breiter aufstellen.  

Sie meinen, um eine nachhaltigere und bessere Wertschöpfung zu erzielen?
Genau. Das Potenzial für „verborgene“ Ressourcen, also Ressourcen, die bisher wenig oder gar nicht genutzt werden, ist groß. Das Entscheidende ist aus meiner Sicht, dass der Raum eine Nähe zu den großen Absatzmärkten hat. Das gilt auf der einen Seite für die ganz konventionellen Landwirtschaftsprodukte und soweit ich das sehe, ist dieser Bereich durchaus noch ausbaufähig. Auf der anderen Seite bietet sich dadurch eine Chance für den Einsatz von innovativen Ressourcen – sowohl was die Energiedienstleistungen betrifft als auch im Hinblick auf Produkte, die aus diesen erneuerbaren Ressourcen entstehen. Im Bergischen RheinLand und in der unmittelbaren Umgebung gibt es viele interessante Industriebetriebe und Firmen, die für diese Umstellung die nötige Kompetenz und das Know-how haben.  

Als langjähriger Professor für Verfahrenstechnik an der TU Graz bringen Sie verstärkt die wissenschaftliche Perspektive in die Ressourcenlandschaft im Bergischen RheinLand ein. Mit welcher Art von Projekten kann die REGIONALE 2025 eine nachhaltige und sinnvolle Entwicklung der Stoffströme forcieren?
In all diesen Projekten, die sich mit der Nutzung von erneuerbaren Ressourcen und insbesondere der stofflichen Nutzung von erneuerbaren Ressourcen befassen, ist es ganz wesentlich, dass im Rahmen der REGIONALE 2025 Hubs gebildet werden. Denn diese erneuerbaren Ressourcen sind nur systemisch nutzbar. Sie dürfen sich das nicht so vorstellen, dass man eine Feldfrucht nimmt und daraus ein Produkt macht. Man hat immer eine Vielzahl von Ressourcen, die zu einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen verknüpft werden. Das heißt, es geht vor allem darum, Nutzungshubs zu bilden, die unterschiedliche Technologien bündeln und auf das regionale Umfeld abgestimmt sind. Das ist der Kern für den Erfolg. Außerdem glaube ich, dass eine der ganz wesentlichen Fragestellungen sein wird, wie man mit Wärme im Projektraum umgeht. Wärme ist ein Koppelprodukt vieler dieser Prozesse, das aber nur auf relativ kurze Distanzen transportiert werden kann. Deshalb wird es entscheidend für den Erfolg dieser Prozesse sein, wie man mit diesem Koppelprodukt umgeht und effizient in den Hubs einsetzt. Das ist zum einen eine Kostenfrage, zum anderen eine Frage von Ressourceneffizienz.  

Wie kann im Bergischen RheinLand die Kompetenz für den nachhaltigen Umgang mit regionalen Ressourcen konkret aufgebaut werden?
Ich glaube, es gibt dafür zwei Wege. Auf der einen Seite geht es um regionale und lokale Lösungen, also die Etablierung von Hubs. Für deren Einrichtung bedarf es zunächst einer guten strategischen Planung. Dafür braucht es verschiedene Kompetenzen, die im Rahmen der REGIONALE 2025 erst noch aufgebaut und verknüpft werden müssen. Das gelingt, indem man unterschiedliche Leute aus der Landwirtschaft, der Industrie, dem Logistikwesen und der Energiewirtschaft an einen Tisch bringt und gemeinschaftlich in die Planung einbindet. Zum Zweiten gibt es im Bergischen RheinLand schon eine Reihe von Kompetenzträgern. An dieser Stelle möchte ich als Beispiel :metabolon erwähnen, das bei der Nutzung erneuerbarer Ressourcen ja auch international eine auffällige Rolle spielt. Hier ist es notwendig, diese Kompetenz weiterzuentwickeln und konstant zu schauen, was der Raum – auch technologisch –wirklich braucht. Dann kann das Ressourcenpotenzial des Bergischen RheinLandes in Zukunft effizient genutzt werden.  

Die Auswirkungen des Klimawandels sind im Bergischen RheinLand deutlich spürbar: Lange Trockenperioden setzen den Wäldern, Flüssen, dem Grünland und der Landwirtschaft zu. Gleichzeitig nehmen Extremwetterereignisse zu. Wie muss sich die Region in den nächsten Jahren entwickeln, um sich den klimatischen Veränderungen anzupassen?
Die Herausforderung ist natürlich vielfältig. Es wird zu einer massiven Verschiebung der Arten kommen, die man in der Land- und Forstwirtschaft des Bergischen RheinLandes nutzen kann. Mittelfristig bedeutet das den Umbau des Waldes, um beispielsweise den starken Druck, der momentan auf der Fichte als Hauptbaum des Raums lastet, zu mindern. Grünland wiederum ist relativ resilient gegenüber neuen Klimasituationen. Ich glaube, dass dort die Nutzung in ähnlicher Form weitergehen kann. Durch die Klimaveränderung wird man aber auch Unterschiede in der Feuchtigkeitsverteilung, in der Niederschlagsintensität und bei der Nachfrage von Energie sehen. Einerseits ist zu erwarten, dass weniger Wärme- und Heizenergie benötigt wird, auf der anderen Seite gewinnt die Kühlung in den Sommermonaten an Bedeutung. Diese Verschiebung muss man sowohl organisatorisch als auch in der Infrastruktur berücksichtigen. Grundsätzlich sollte die Region in diese Fragen mit großer Offenheit hineingehen und sich auf das einstellen, was in Zukunft kommen wird. Und das wird sicherlich anders sein als das, was wir momentan sehen.  

Was unterscheidet die Ressourcenlandschaft im Bergischen RheinLand von der in Ihrer österreichischen Heimat, der Steiermark?
Der Hauptunterschied ist die Bodennutzung. Die Steiermark ist sehr waldreich, 60 Prozent der Landesfläche sind mit Wald bedeckt. Daraus ergibt sich eine andere Ressourcengrundlage im Verhältnis zum Bergischen RheinLand. Hinzu kommen unterschiedliche Klimagebiete. Der Norden der Steiermark ist relativ feucht, es gibt viel Wald und die Rinderzucht ist ein wichtiges Thema. Dieser Landesteil ist am ehesten vergleichbar mit den Ressourcen im Projektraum der REGIONALE 2025, in dem Milchviehwirtschaft ja eine große Rolle spielt. Im Süden der Steiermark schaut es anders aus. Hier ist es deutlich trockener und es finden sich intensive Agrarflächen. Im Sommer gibt es eine Vielzahl an Feldfrüchten und natürlich Wein. Von dieser Seite ist die Steiermark vielfältiger als das Bergische RheinLand. Ein wesentlicher Unterschied sind jedoch die Absatzmärkte. Die Steiermark hat keine Rheinschiene vor der Tür, wir sind also ein bisschen abgeschirmt von den großen Abnehmern. Das ist ein großer Nachteil des Raums gegenüber dem Bergischen RheinLand.  

Kann man auch eine Vergleichbarkeit zwischen dem Bergischen RheinLand und der Steiermark herstellen?
Ja, eindeutig. Die vorhandenen Grundressourcen und die Herausforderungen sind durchaus ähnlich. Im Norden der Steiermark haben wir beispielweise das gleiche Problem, dass Sie hier im Bergischen RheinLand mit der Milchwirtschaft haben. Es liegt ein immenser Druck auf der Landwirtschaft und es stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Nutzung perspektivisch verändert. Das ist bei uns ähnlich.  

Welche Ressource symbolisiert für Sie am Besten das Bergische RheinLand?
Für mich gibt es zwei Schlüsselressourcen im Projektraum: Wasser und Gras. Beide sind miteinander verzahnt. Denn ohne eine entsprechende Rückhaltekapazität des Bodens lässt sich das Wasser nicht sinnvoll nutzen, beispielsweise für die Trinkwassergewinnung. Deswegen ist Grünland so wichtig.  

Herr Prof. Narodoslawsky, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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