Schmuckstück mit historischem Charme
Es war das Ende einer Ära, als 2019 die Gaststätte „Rheinischer Hof“ in Nümbrecht seine Türen schloss. 169 Jahre lang zapfte hier die Familie Vierkötter Bier und vermietete zeitweise auch Zimmer. Das schieferverkleidete Gebäude an der Hauptstraße prägt bis heute das historische Ortsbild der Gemeinde, ist aber stark sanierungsbedürftig. Seit 2024 wird nun im Traditionshaus gehämmert und gesägt: Der Kneipenbetrieb ist passé, jetzt entsteht neuer Wohnraum – und nebenbei bleibt ein besonderes Bauwerk im Ortskern erhalten.
Der „Rheinische Hof“ besteht aus zwei Gebäudeteilen. Der rechte Teil, dessen Fassadenschriftzug schon von weitem sichtbar ist, wurde 1850 errichtet. Der „Neubau“ an der linken Seite ist mit elf Metern deutlich höher und stammt aus dem Jahr 1950. Max Zielenbach tritt aus dem alten Gebäude und prüft Baumaterial, das vor dem Haus steht. Er ist Maurer- und Betonbaumeister und Restaurator im Maurerhandwerk und kennt sich mit der Sanierung von Beständen aus. Seine Familie besitzt einen eigenen Handwerksbetrieb und hat die ehemalige Gaststätte im Jahr 2019 gekauft.
Mit der Kernsanierung und dem Umbau wurde im Jahr 2024 begonnen. Bis zum Frühjahr 2025 entstehen hier sieben Wohnungen, verteilt auf drei Etagen. Im Erdgeschoss werden drei barrierefreie Wohnungen, im Ober- und Dachgeschoss jeweils zwei weitere Wohneinheiten gebaut. Insgesamt 560 m2, den Keller nicht mitgerechnet. Hinter dem Haus wird mit Unterstützung einer Gummersbacher Firma ein kubusförmiger Neubau an die Fassade gesetzt, der ein barrierefreies Treppenhaus beherbergt. Eine Menge Arbeit, aber für Max Zielenbach ist die Sanierung nicht nur ein Investment, sondern eine Herzensangelegenheit: Er war vor der Schließung oft selbst Gast im „Rheinischen Hof“, sein Onkel Gerhard Mitglied des Stammtischs.
Bestand dauerhaft sichern
Nach dem Kauf hat die Familie das Haus selbst unter Denkmalschutz stellen lassen – bis zum Jahr 2019 war das Gebäude kein Denkmal. „Wir wollten das Ortsbild und die historische Bauweise sichern“, begründet Zielenbach diesen Schritt. „Bei den Bauarbeiten retten und verwenden wir wieder, was wir können. Jedoch ist nicht alles, was erhaltenswert ist, auch erhaltensfähig“. Ein Beispiel: Die Holztheke im ehemaligen Schankraum wies an der Unterseite Schwammbefall auf, der sich über die Jahre von der Kellerdecke nach oben fraß. Ein kleines Stück der Theke konnte gerettet werden, der Rest des Möbelstücks wanderte in einen von insgesamt 16 Abfallcontainern – so wie zahllose Tonnen Bauschutt und Holz. Allein für die Entsorgungskosten fiel ein niedriger fünfstelliger Betrag an.
Wo es möglich ist, bleiben alte Holzkonstruktionen aber erhalten: So wird das alte Gebälk im Dachgeschoss auch nach Fertigstellung sichtbar bleiben. Im Erdgeschoss werden zudem die Bleiglasfenster mit den Sprossen restauriert und sind dann von außen und innen ein echter Hingucker.
Energetische Sanierung
Zielenbach leitet den Umbau gemeinsam mit seinem Baupartner Jens Hoffmann, der Trockenbauspezialist ist. Die beiden arbeiten bereits seit Jahren zusammen und überwachen jedes Gewerk gemeinsam. Bis auf die Sanitärarbeiten können sie alle Gewerke selbst mit ihrem Team ausführen. Ein großes Augenmerk richten sie auf die energetische Sanierung, bei der ganz unterschiedliche Maßnahmen zum Gesamtergebnis beitragen und die bis Ende des Jahres abgeschlossen ist. So wurde das Dach neu eingedeckt und im Dachgeschoss neue Fenster eingesetzt. Für die Außenfassade kommt Lehmputz zum Einsatz, der gut fürs Raumklima und ökologisch sinnvoll ist.
Das Haus ist außerdem Zellulosefaser-gedämmt, insgesamt sieben Tonnen nachhaltige Isocell-Dämmung wurde in die Fassaden und die Decken „eingeblasen“. Dabei handelt es sich um zerkleinertes, recyceltes Zeitungspapier, das mit Salzsäure versetzt wurde, um Ungeziefer- und Schimmelpilzbefall vorzubeugen. „Die Wände und Sparren sind in Altbauten fast immer krumm und schief. Mit der Einblasdämmung erreichen wir eine lückenlose Dämmung bis in die kleinste Ritze. Klassische Dämmwolle ist für den Einsatz in Altbauten oftmals zu dick“, erläutert Hoffmann.
Erneuerte Außenfassade
Während im Inneren des Gebäudes die Bauarbeiten noch in vollem Gange sind, erstrahlt die Fassade des Hauses schon fast wieder in altem Glanz. Zahlreiche Schieferplatten wurden insbesondere im oberen Bereich erneuert, auch der ausgeblichene Fassadenschriftzug „Rheinischer Hof Vierkötter“ wurde von Mutter Sabine Zielenbach originalgetreu wieder hergestellt. Sie nutzte dafür ein sechs Meter langes Papier und pauste von Hand jeden Buchstaben einzeln ab.
Zielenbach und Hoffmann sind sich sicher: Die Sanierung trägt dazu bei, das historische Gebäude langfristig als Schmuckstück für die Nümbrechter Altstadt zu erhalten – idealerweise für weitere 169 Jahre. Ein Beleg für die Standfestigkeit des Hauses findet sich im Keller: Direkt neben einem kleinen Gewölbekeller, in dem früher der Wein gelagert wurde, liegt der ehemaligen Heizungsraum. Dessen Rückwand wurde jedoch nicht – wie sonst üblich – gemauert. Stattdessen hat man den rückwärtigen Fels direkt als Außenmauer genutzt. „Solider kann man nicht bauen“, sagt Hoffmann lächelnd.